Ich biete regelmäßig Führungen zum Thema »Frauen im Judentum« durch unsere Dauerausstellung an. Dafür interessieren sich meistens Frauengruppen oder Personen, die mit den Grundlagen des Judentums und der jüdischen Geschichte bereits vertraut sind. Ich mag die lebhaften Diskussionen mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Die Gespräche über das Leben von Glikl von Hameln, Dorothea Schlegel und Albertine Mendelssohn-Bartholdy, über Else Lasker-Schüler, über Lilith und Eva sind immer auch Gespräche über die Gleichberechtigung der Frauen, über unsere Gleichberechtigung!
Von Lilith haben viele die unterschiedlichsten Dinge gehört: »Kommt die nicht auch in Goethes Faust vor?«, »Beim Kartenlegen ist Lilith wichtig.«, »Die erste Frau von Adam, vor Eva«. Manche denken bei Lilith an ein bedrohliches Nachtgespenst, andere haben ihrer Tochter den Namen gegeben, denn Lilith steht auch für Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit, ungezügelte Wildheit und lebensfrohe Sinnlichkeit. Ein Lebenskonzept, das dem traditionellen Frauenbild widerspricht, eigentlich ein Gegenkonzept zu Eva. Kein Wunder also, dass der Name Lilith vor allem in feministischen Kreisen bekannt ist (vgl. das feministische Magazin Lilith).
In einer Vitrine unserer Dauerausstellung liegen Amulette und Glücksbringer, wie sie auch Glikl von Hameln benutzt hat. Das Papier mit den Gebeten in hebräischer Sprache und der silberne Anhänger sollen schwangere Frauen und Neugeborene schützen – vor allem vor Lilith, die nach der jüdischen Tradition ein böser Dämon ist, ausgestattet mit der Macht, Kinder zu töten. In einer hell erleuchteten Museumsvitrine werden die Amulette zwar aus ihrem Zusammenhang gerissen, verlieren ihre Aura und scheinen für unser Leben heute keine Bedeutung mehr zu haben. Dennoch verstehen die TeilnehmerInnen stets die Ängste, die mit Schwangerschaft und Geburt verknüpft sind. Außerdem erzähle ich dann meistens die Legende vom Streit zwischen Adam und Lilith, der damit endete, dass Lilith ihren Adam verlassen hat. Einer Interpretation zufolge entbrannte dieser Streit um die Frage, wer oben liegt. Lilith bestand in dieser Frage auf Gleichberechtigung und führte an, ebenfalls als Gottes Ebenbild erschaffen zu sein. Adam konnte das nicht akzeptieren. Spätestens dann sind wir in unserer Gegenwart angekommen und ich hoffe, auch ihr könnt nun bei nächster Gelegenheit in bestimmten Situationen religiös argumentieren! Falls nicht, dann bucht die Frauenführung!
Karin Grimme, Bildung
Öffentliche Führungen zum Thema »Frauen im Judentum« finden im November und Dezember jeweils sonntags um 15 Uhr statt.